Photo: David Rasche
FEATURED VIDEO:
KOLLEKTIV TURMSTRASSE – SORRY, I AM LATE
minimal techno / house / electro
Das Musikproduzententeam Nico Plagemann und Christian Hilscher, die in den 90er-Jahren zusammen eine Wohngemeinschaft in Wismar bildeten, gründeten 1999 das Kollektiv Turmstrasse, da die besagte WG eben in jener Straße residierte. Ihr Musikstil bewegt sich zwischen Minimal Techno und melodischem House und ist bereits auf 3 Long Playern und etlichen EPs und Singles unter das Fanvolk gebracht worden. Auf Insta haben sie sich auch mittlerweile eine Fanbase von gut 67K Followern erarbeitet. Eine schon recht stolze Zahl für ein im Grunde immer noch als Underground zu bezeichnendes Projekt. Die aktuellste Veröffentlichung des mittlerweile in Hamburg stationierten Kollektivs stellt die 3-Track-EP „YAP“ (You are perfect) dar, die nun nach drei Jahren Funkstille der beiden seit Juli 2022 wieder für Belebung in den Plattenläden sorgt.
Für unsere Featured Video-Abteilung haben wir uns heute das Official Video zum 2016 re-veröffentlichten Kollektiv-Turmstrasse-Track Sorry, I am late ausgewählt. Und das aus gutem Grund. Als Regisseur für dieses, in gewisser Weise, „Kunstwerk“ zeichnet sich Jacob Grunert verantwortlich, der nachfolgend auch mit den deutschen Königen Seeed oder auch Dendemann erfolgreich Musik in Bilder umsetzte. „Sorry, I am late“ ist ein flow-basierter Minimal-Track, der zwar keinen relevanten Spannungsbogen beinhaltet, sich dafür aber auch umso schneller ins für Musik reservierte Gehirnschubfach Einstieg verschafft und dort gerne auch für längere Zeit verbleibt. Da man also den Sound relativ schnell intus hat, gebietet es natürlich dem Videoteil des Ganzen, die echten Reizpunkte zu setzen. Und das gelingt Jacob Grunert sofort. Man könnte jetzt zwar auch als Haarindersuppesucher anmerken, dass bei Lichte besehen weder der Track an sich, noch der Titel „Sorry, I am late“ oder das Video als solches auch nur irgendetwas Korrelatives zueinander haben würden. Könnte man. Vielleicht sogar auch nicht ganz zu Unrecht.
Aber. Und jetzt das große Aber. Es macht einen Heidenspaß, sich dieses zivilisatorisch schon auf ziemlich kaputt gedrehte Video von Anfang bis zum LOL-Schluss zu gönnen. Zu Beginn führt die Kamera die beiden Hauptprotagonisten ein: zwei schon ziemlich abgehalfterte und während einer Pause in ihrem Einsatzfahrzeug Fastfood in sich reinstopfende Polizisten. Die beiden unterhalten sich dabei ungeniert mit vollem Mund über neueste Beauty-Erkenntnisse aus dem Frühstücksfernsehen und den „Dreck“, der gerade aus dem Autoradio dröhnt („Das ist doch keine Musik. Umpf umpf umpf umpf“). Mit diesem „Umpf umpf umpf umpf“ ist aber jedoch genau der Track gemeint, um den es hier eigentlich geht – „Sorry, I am late“. Selbstironie at it´s very best. Und auch im weiteren Verlauf verhalten sich die beiden Dienstoldies (wahrscheinlich Endfünfziger?) beileibe nicht so, wie man es gewöhnlich für Vertreter deines Freundes und Helfers erwarten würde. Auf kleinem Niveau würde man sagen, sie „eskalieren“, und haben selbst großen Spaß dabei. Bis sie schließlich an ihren Racial Profiling-technisch rekrutierten Endgegner geraten, was dann für die größten LOL-Erlebnisse in diesem Video sorgt, ohne hier zu viel davon verraten zu wollen.
Am Schluss hätte ich sogar noch ein zweites großes, positives „Aber“ zu diesem Werk auf Lager. Recht schnell kamen mir beim Reinsehen kontextuelle und kunsttechnische Assoziationen zu einem meiner All-Time-Video-Favourites – „Come To Daddy“ von Aphex Twin. Ist zwar ein komplett anderes Regal, aber irgendwie… schaut einfach selbst rein.
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