T/VOTD 09.09.2022: PRADA BAG von EBOW

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Photo: Joanna Legid

 

TRACK OF THE DAY 09.09.2022:
PRADA BAG von EBOW

hip-hop / rap / urban

 

PRADA BAG ist der fünfte Track auf dem Album CANÊ von EBOW, welches am 18.März 2022 erschienen ist.

 

 

ÜBER EBOW
Ebow, geboren vor 32 Jahren als Ebrun Düzgün, macht schon seit gut 10 Jahren Musik. Rap. Deutsch-Rap. Aber der intelligenteren Art. Und das auf ihre ganz ureigene Weise. Sie ist keine von der Sorte von Rapper:innen, denen der Ghetto-Slang aus den goldverzahnten Mundwinkeln tropft oder denen auch sonst nicht mehr als das Vokabular einer Gossensprache und ein bloßes Zurschaustellen ihrer Coolness einfällt. Wobei man aber hier nicht vergessen sollte, dass Ebow dennoch sehr wohl eine Kämpferin ist, aber eben eine mit echter Aussage. Schon seit jeher. Prinzipiell gesehen ist die Alevitin, die im kurdischen Dersim ihre Heimat sieht, in München aufgewachsen ist und Architektur studiert hat, in mehrfacher Hinsicht ein Sondermodell dieser Branche. Als Kurdin in Deutschland in doppelter Minderheit, als Frau, als studierte Frau eben – das ist definitiv nicht die einfache, gewöhnliche Schiene, in dieser Branche Fuß zu fassen. Aber, über erste „Auftritte“ in Straßenbahnen, Waschsalons etc. und guter Förderung in der bayerischen Musikszene hat sie es dann tatsächlich geschafft. Ebow – eine Deutsch-Rap-Größe, mittlerweile auf vier Alben verewigt.

PRADA BAG
Das vierte Album „Canê“ erschien dieses Jahr, und einer der 10 Tracks auf diesem bei Alvozay erschienenen Long Player nennt sich „Prada Bag“, den wir heute als unseren Track Of The Day vorstellen wollen. Das Video zu diesem Song ist an sich recht einfach gehalten, es zeigt Ebow in einem einfach gestalteten Shooting-Raum, wie sie in verschiedenen Posen und kleinen Handlungen genau die Dinge ins Spiel bringt, um die es ihr in diesem Track geht. Wie der Titel „Prada Bag“ schon vermuten lässt, dreht es sich hier um all diese angesagten, heißbegehrten und obercoolen Style-Accessoires, die Mensch scheinbar unbedingt haben muss, um „dazuzugehören“. Das neueste iPhone, Goldringe, Goldketten und eben das besagte Corpus Delicti, die Prada Bag. Sie rappt dabei zunächst auch über dieses Gehabe, diesen Druck, mit diesen swagen Sachen unbedingt für den coolen Schein und das eigene Ansehen in der Hood flexen zu müssen und uns damit aber letztendlich komplett zu ruinieren. „Wir flexen und flexen und flexen, bis der letzte Schein weg ist“. Soweit eigentlich fast noch so normal und geläufig. Ein flowiger, aber darker Beat, Ebruns weiche, monotone Stimme, ein paar sich wiederholende Moves vor der Kamera. Könnte man kennen. So oder so ähnlich.

Dann aber, so nach zwei Minuten, dreht das Ganze und Ebow lüftet über die restlichen knapp drei Minuten hinweg verbal den Vorhang und eröffnet uns das, worum es ihr mit diesem Werk geht. Sie rappt nicht mehr, sie erzählt uns nun einfach über den weiter stabil vor sich hinfließenden Rhythmus hinweg davon, was eigentlich hinter diesem Drang nach Brilli-Glitzer- und im Grunde komplett sinnlosen Markenschnickschnack steckt. Diese Suche nach Anerkennung. Dieses Heraustretenwollen aus der zweiten Reihe der Gesellschaft. Diesem verzweifelten Versuch, den anderen um einen herum irgendwie auf Augenhöhe begegnen zu können. Vor allem dann, wenn man nicht wie Ebow vielleicht zumindest beruflich, siehe ihr abgeschlossenes Architektur-Studium, irgendwas Vernünftiges auf die Kette gebracht hat, und sich so „in der Masse integriert“ hat. Sie vermischt dies auch mit einer Art grundsätzlichen Gesellschaftskritik. „Das Traurige daran ist, dass du mehr Respekt vor dem Kapitalismus an mir hast, als vor mir selbst. Aber deswegen flex‘ ich mit jedem Cent, nicht für euch, nein, nein, für mich selbst. Ich gönne mir das, was mir keiner in diesem Land je gönnen würde“. Mehr Schein als Sein. Innere Werte, Persönlichkeit, Charakter … was ist das schon. Als Türke, und noch mehr als Kurde kannst Du damit hier nicht glänzen. Die Marke zählt im hiesigen Kapitalismus! Und wenn man sich die Comments unter dem Video durchliest, hat sie damit wohl nicht wenigen so richtig den Kopf gef**kt. Ziel erreicht, würde ich sagen.

 

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