Photo: Gilles Bonugli Kali
TRACK OF THE DAY:
MAN ON THE RUN von BE SVENDSEN
electronic / house / techno
BE SVENDSEN ist ein wahrer Elektro-, House- und Techno-Kosmopolit aus Dänemark. Seit 2011 veröffentlicht er in schöner Regelmäßigkeit EPs und Alben mit echter Weltmusik, die er durch seine fluffigen und entspannten Beats in einer sehr angenehmen und anregenden Art und Weise unseren Köpfen und Beinen näherbringt. Hört man sich seine immer mehrstündigen DJ-Sets durch, flirren einem Tango-Rhythmen, Klezmer-Klarinetten, jamaikanische Steel Pans und besonders bevorzugt auch afrikanische und arabische Stilmittel in einer derart gelungenen Melange um die Ohren, dass man den Eindruck gewinnen muss, dass diese teils sehr unterschiedlich verorteten Musikstile (und auch Kulturen) eigentlich immer schon zusammengehört hätten. Und das alles immer unterlegt mit seinen immer sehr variabel angelegten Midtempo-Beats, die kaum einmal die 100 BeatsPerMinute-Schallmauer durchbrechen. Alles entspannt, alles locker – und dennoch aber gerne auch spannend und durchaus tanzbar. Bezüglich der richtigen Einordnung seines Technostils ist man sich aufgrund der Vielseitigkeit eher unsicher, zumal er mit seinem Äußeren – Bowler-Hut, Hosenträger, Vollbart – überhaupt nicht in das gängige Elektronik-Klischee passt. Anden-House oder Shaman-House meinen die Kritiker, Ethno-Techno wäre meine Wahl. Be Svendsen selbst nennt seine Musik dagegen „Tarantino Techno“ – auch nicht verkehrt.
Vor allem nicht, wenn man es sich aus Sicht unseres heutigen Track Of The Day besieht. Der Track Man On The Run wurde 2020 als Single veröffentlicht und soll uns die mysteriöse Geschichte eines „Mannes auf der Flucht“ erzählen, der scheinbar zwei Typen auf dem Gewissen hat und sich nun aus dem Schutz der nächtlichen Dunkelheit heraus vorsichtig den Weg in die Sonne bahnt. Dass das wahrlich eine durchaus heiße Geschichte ist, lässt sich gleich vom Start weg erkennen. Man blickt auf eine Anordnung von roten Kreisen auf schwarzem Grund, die einen sofort an eine eingeschaltete Herdplatte eines Induktionsherdes denken lassen. Blutrot eingefärbte Rauchschwaden kommen hinzu, das Bild mit der Herdplatte wird unscharf, verwaschen, es bilden sich noch zwei weitere dieser Kreise, die im Kontext der Story auch Zielscheiben, respektive Fadenkreuze sein können. Das alles wird unterlegt mit einem selbst für Svendsen-Verhältnisse sehr langsam gehaltenen Beat und einer einsetzenden Slide-Guitar, die dem Ganzen noch eine gewisse Western-Note verleiht. Üble Burschen halt im Spiel, klar!
Nach diesem „Intro“ startet dann der eigentliche Tarantino-Streifen, der farblich in den 60ern/70ern verortet, uns eigentlich nur den Anfang des „Drehbuchs“ verrät. „6.15 in the mist of the dawn, a shadow man creeping in the search of the sun, 3 from the start now left only one, it´s a 187 and a man on the run“ berichtet uns eine durch einen Vocoder verfremdete und verzerrte Stimme. Das wars dann auch fast, mehr soll nicht verraten werden – der Rest ist einfach ein grandioser Cliffhanger für das eigene Kopfkino. Viertel nach sechs schleicht sich ein Typ aus dem Schutz der Dunkelheit heraus also ans Licht, und wo´s am Anfang noch drei waren, ist nur einer davon übriggeblieben, der von jetzt ab mit „blutig unterlaufenen Augen“, so wird es noch weiter dramatisierend transportiert, auf der Flucht sein muss, denn „it´s a 187“. 187 ist der Funk-Code der kalifornischen Polizei für einen Mord, der passiert ist. Der Typ mit Boulder-Hut, der die meiste Zeit des Videos über im zentralen Fokus locker und lässig auf uns zugeht (wahrscheinlich auch Be Svendsen selbst), hat also das Blut seiner zwei Kumpanen an den Händen und hofft auf ein gutes Versteck in den Bergen. Dass er den Weg dorthin nicht ganz unbeobachtet nimmt, scheint uns wohl der ebenfalls blutrot gehaltene Geier anzudeuten, der ihn beständig über der Wüste schwebend verfolgt. So zumindest will mein Bild im Kopf es mir weismachen.
Hervorragendes Kopfkino also untermalt mit leichten Beats, Slide-Gitarren, Vocoder-Stimme und viel, viel spannenden Interpretationsspielraum für den Kontext und den weiteren Verlauf dieser Geschichte. Ein kleines Videokunstwerk, so denke ich, das Be Svendsen hier gelungen ist. Auf Tour werden wir den Dänen bis auf Weiteres leider nicht erleben können, da er im Juli auf seiner Facebook-Seite verkündet hat, dass er wegen mentalen Problemen (Burn-out, Depressionen) mit seiner Musik nicht unterwegs sein können wird. Wir wünschen ihm von dieser Stelle aus beste Besserung und dass sein Wunsch, stärker als je zuvor aus dieser momentanen Situation wieder herauszukommen, in Erfüllung geht.
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