UNEARTHED #7 präsentiert: 10 000 RUSSOS (mit Interview)

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ÜBER 10 000 RUSSOS

Vor neun Jahren wartet ein vielversprechendes Psychrock-Gespann aus Portugal mit einer selbst-veröffentlichten Kassette auf. Nur zwei Jahre später veröffentlicht das (inzwischen) Trio aus der Hafenstadt Porto ihr selbstbetiteltes Debut Album beim namhaften Londoner Label Fuzz Club Records, welches bekannt ist für ein erlesenes Repertoire im Bereich Psychedelia, Shoegaze, Post-Punk und weiteren anverwandten Abkömmlingen des Rock’n’Roll…

Dem ersten Album folgt 2016 eine Split Single mit The Oscillation und eine Kassette mit Live-Aufnahmen vom Fuzz Club Fest’15. Nach der live to tape Veröffentlichung „Fuzz Club Sessions #2“ im Jahre 2017 folgt bereits das zweite full-length Album mit dem Titel „Distress Distress“. Nach einer Kollaboration mit Radar Men From The Moon, zementieren die Portugiesen dann mit Kompromat (2019) und Superinertia (2021) endgültig ihren Status als Innovateure im Psychrock.

10 000 Russos (ausgesprochen: dez mil russos) sind anfangs Pedro Pestana an der Gitarre und João Pimenta am Schlagzeug, welcher bis heute auch den Gesang beisteuert. Der Bassist André Couto stößt 2014 dazu und verleiht dem einzigartigen Sound der Band den Drive. Im Jahre 2020 wird André Couto durch Nils Meisel ersetzt, welcher mit seinen Synthesizerklängen Weite und Raum hinzufügt. „Twisted Dance Music“ nennen 10 000 Russos ihre erdige und dennoch urban-/industriell anmutende Mischung aus Psych Rock, Krautrock und maschinellem Rhythmus.

In der siebten UNEARTHED Episode vom 28.02.2022 präsentierte euch KAE die Titel „It Grows Under“ und „Runnin‘ Escapin“ vom Album „Kompromat“. Nun freut sich KAE, euch ein exklusives UNEARTHED interview mit 10 000 Russos präsentieren zu können.

DAS UNEARTHED INTERVIEW MIT 10 000 RUSSOS

KAE: Wir beginnen mit der traditionell ersten KAE-Frage: Beschreibt bitte eure Musik mit fünf Worten!
10 000 RUSSOS: Have a nice trip, mate!

KAE: Nachdem ich „Kompromat“ entdeckt hatte und von dessen innovativem und massiven Sound sowie von der Ästhetik des Covers und der ganzen „Seele“ des Albums völlig begeistert war, habe ich mir vor kurzem euer neuestes Album „Superinertia“ angehört. Es unterscheidet sich von „Kompromat“ dadurch, dass es weniger maschinell und treibend ist, sondern eher räumlich und schwebend, und auch weniger dunkel als „Kompromat“. Welche Einflüsse oder Begebenheiten haben zu diesem Kurswechsel auf „Superinertia“ geführt? Könnt und wollt ihr uns sagen, wohin die Reise mit dem nächsten Album gehen wird?
10 000 RUSSOS: Danke für deine freundlichen Worte. Ja, es fühlt sich bunter an, in den Songs und auch im Mix. Auch der Wechsel in der Besetzung spielte eine unvermeidliche Rolle, André spielte Bass und Nils spielt Synthesizer, es ist also eine andere Person, ein anderes Instrument und ein anderer Ansatz. Das verändert natürlich die Art und Weise, wie man Musik macht, also haben wir uns auf den Weg gemacht, um zu sehen, was wir zusammen machen können. Es hatte keinen Sinn, genau dasselbe zu machen wie vorher, obwohl eines der Hauptziele des Synthesizers darin bestand, die Rolle des Basses und des Grooves zu übernehmen. Aber er kann auch andere, höhere Bereiche des Spektrums abdecken und auch Environments erschaffen. Es ist eigentlich ziemlich aufregend, so arbeiten zu können. Die Reise für das nächste Album geht immer weiter und wir haben schon ein paar Dinge, an denen wir arbeiten.


KAE:
„Superinertia“ bezieht sich auf die Untätigkeit des Westens. Wo seht ihr die westliche Welt und insbesondere Europa in fünf bis zehn Jahren? Welche Veränderungen und Entwicklungen auf politischer und sozialer Ebene würdet ihr euch in der westlichen Welt und in Europa wünschen?
10 000 RUSSOS: Frieden! Das Zeitgeschehen hat in letzter Zeit eine dramatische und besorgniserregende Wendung genommen. Die Welt scheint sich erneut verändert zu haben. Wir können uns nur Frieden und Solidarität wünschen und für diesen Wunsch arbeiten.

KAE: Unter euren musikalischen Einflüssen werden Suicide und die Krautrock-Band Neu! genannt. Welche anderen wichtigen Einflüsse fließen in eure Musik ein?
10 000 RUSSOS: So viele, würde ich sagen. Die von dir genannten sind ziemlich klar, aber es gibt noch viel mehr. Wir lieben es, von vielen verschiedenen Orten zu „trinken“, wie zum Beispiel Weltmusik, ein bisschen Blues ist auch dabei, etwas Dub, Industrial, elektronische Musik von Techno bis hin zu experimenteller Musik und, du weißt schon, Rock und seine Derivate. Ein großer Salat.

KAE: Wie läuft der kreative Prozess bei euch ab? Entwickelt ihr alles von Grund auf gemeinsam im Studio, im Proberaum, bei Jamsessions? Oder gibt es einen kreativen Mastermind, der den entscheidenden Input liefert? Wer schreibt die Texte?
10 000 RUSSOS: Wir machen die Musik im Proberaum. Aber es kommt darauf an, wirklich. Meistens jammen wir uns durch, um neues Material zu finden. Jemand fängt an, eine Anregung zu spielen, und wir jammen drum herum. Das kann ein Beat sein, eine Melodie, ein Bass – es kommt darauf an, was die Initialzündung ist, und dann machen wir weiter. Die Texte stammen von João und entstehen oft, während der Song gebaut wird. Wenn wir ins Studio gehen, hängt es davon ab, was die Musik verlangt, denke ich. Einige der Songs brauchen eine feste Struktur und ein festes Tempo und müssen mit einem Click-Track synchronisiert werden (A House Full Of Garbage, It Grows Under, Karl Burns, Tutilitarian), sonst funktionieren sie einfach nicht. Diese Songs sind sozusagen von Maschinen abhängig. Der Großteil des Materials ist jedoch nicht von Maschinen abhängig, und so ziehen wir es natürlich vor, Live-Takes aufzunehmen, anstatt ein Instrument nach dem anderen. Die Energie ist eine ganz andere. Wenn nötig, nehmen wir dann ein paar Overdubs auf, aber das Grundgerüst des Materials hat den Live-Vibe.

KAE: Die Band ist in Porto/Portugal beheimatet – eine Hafenstadt am Atlantischen Ozean, charmant, sonnig und farbenfroh am Tag. Welche Stile dominieren den musikalischen Untergrund in Porto? Gibt es mehr (vielleicht weniger bekannte) Underground-Bands wie 10 000 Russos in Porto, oder seid ihr da eher eine Ausnahme?
10 000 RUSSOS: Porto hat eine sehr fruchtbare Musikszene. Der Ort, an dem wir proben, ein altes Einkaufszentrum, hat über 100 gemeinsame Proberäume. Wir haben keine Ahnung, wie viele Bands und Projekte es allein in diesem Gebäude gibt, aber es sind mit Sicherheit einige Hundert. Ganz zu schweigen vom Rest der Stadt. Es gibt eine Menge guter Musiker und Bands. Ich würde aber nicht sagen, dass es einen bestimmten dominanten Stil gibt. Aus dem Stegreif können wir zum Beispiel empfehlen, João Pais Filipe, O Manipulador, Daniel Catarino, Angélica Salvi, Jonathan Saldanha (HHY & Makumbas) oder Sereias zu hören.

KAE: Welche Orte würdet ihr Reisenden oder Neuankömmlingen in Porto empfehlen?
10 000 RUSSOS: Für Live-Musik zum Beispiel Máus Hábitos, Barracuda, Woodstock 69 Rock Bar. Auch Sonoscopia, ohne Zweifel! Schaut euch deren Programm an. Es gibt noch viele andere Dinge zu entdecken. Spaziergänge sind normalerweise der beste Weg, um den Rest zu entdecken.

KAE: Die Pandemie hat die gesamte Musikwelt hart getroffen, vor allem wirtschaftlich. Wie habt ihr als Musiker die Zeit verbracht und überstanden?
10 000 RUSSOS: Wir haben unser Bestes gegeben, um beschäftigt zu bleiben, neue Musik zu machen und auch an anderen Projekten sowie an unseren anderen Bands wie Sereias und Lonzdale’s Fantasy in Nils‘ Fall oder Tren Go! Sound System (Pedro) oder Stereoboy (João). Irgendwie haben wir es trotz allem geschafft, so einige Auftritte zu spielen.

KAE: Welche fünf (zeitgenössische und aktive) Bands würdet ihr unseren Lesern und Hörern gerne empfehlen?
10 000 RUSSOS: Da wir zu dritt sind, können wir es auf 6 Bands bringen? Sula Bassana, Tommy Guerrero, Sherpa The Tiger, Aerofall, Solar Corona, Conferência Inferno.

KAE: Was ist von 10 000 Russos in naher Zukunft zu erwarten?
10 000 RUSSOS: Wir arbeiten im Moment an neuem Material und haben einige Auftritte in Portugal und werden im September auch auf Tour gehen.

 

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Credits alle Bandphotos: Limamil / Credits Albumcover von „Kompromat“: Shia Santos